Ökumenische Initiative Lichterfelde-West Reformation - Erneuerung – Ökumene
Einladung Klimagebete 23. Juli 2025
Liebe Mitwirkende und Interessierte an den Ökumenischen Klimagebeten,
herzliche Einladung zum nächsten Klimagebet am Mittwoch, den 23.07.2025, 18.00 Uhr. Es findet in der Kirche Heilige Familie, Kornmesserstraße 2, 12205 Berlin statt.
Was wir gerade erleben im Zusammenhang mit der Wahl neuer Richter*innen zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG), empfinde ich als eine Form der Missachtung, als mutwillige Beschädigung des Ansehens des Gerichts – ganz abgesehen von der ebenfalls mutwilligen, teils böswilligen Beschädigung des Ansehens einer Richterkandidatin. Jedenfalls wird es den an der Schwächung des Rechtsstaates „interessierten Kreisen“ dadurch in erschreckend fahrlässiger Weise leichter gemacht, die Unabhängigkeit des BVerfG von politischer Beeinflussung (die das Gericht tatsächlich hat und mit vielen „unbequemen“ Entscheidungen immer wieder unter Beweis gestellt hat) in Zweifel zu ziehen und das Gericht als Instrument der sogenannten „Altparteien“ zur Absicherung ihrer Macht zu diffamieren.
Eine andere Form der Missachtung des Bundesverfassungsgerichts haben wir meiner Ansicht nach erlebt, als Friedrich Merz in seiner Bundespressekonferenz vor Beginn der Sommerpause das berühmt – berüchtigte „2 % - Argument“ wieder einmal (man kann es kaum anders sagen) aus der Mottenkiste hervorgeholt hat: Deutschland trage nur 2 % zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei, und daher sei für den weltweiten Klimaschutz nichts erreicht, “selbst wenn wir alle zusammen morgen am Tag klimaneutral wären in Deutschland”.
Abgesehen davon, dass das Argument schon daran „krankt“, dass auch ein Beitrag von 2 % eben nicht „nichts“ ist, und dass Deutschland nur ca. 1 % der Weltbevölkerung stellt (so dass wir eigentlich, um unsere Treibhausgasemissionen auch nur dem globalen Durchschnitt anzupassen, schon aus diesem Grunde diese Emissionen um die Hälfte reduzieren müssten) ist es meiner Ansicht nach auf allen Ebenen falsch: Ethisch (Stichwort: kategorischer Imperativ), politisch (Frage: Auf welcher Grundlage wollen wir denn zu einem international koordinierten Vorgehen zu einem effektiveren Klimaschutz gelangen, wenn wir selbst nicht bereit sind, das Notwendige zu tun?), wirtschaftlich (Frage: „Warum sollten wir so „kleinmütig“ sein, die wirtschaftlichen Entwicklungschancen, die sich aus verstärkten Investitionen in den Klimaschutz ergeben können, ungenützt zu lassen?) – aber eben auch juristisch.
Für die deutsche Klimapolitik sollte das „2 % - Argument“ (wie das ebenfalls beliebte „Aber China …“ – Argument) aus (verfassungs-)rechtlichen Gründen mit dem Beschluss des BVerfG zum Klimaschutzgesetz vom 24.03.2021 „erledigt“ sein. Dort hat sich das BVerfG aus verfassungsrechtlicher Sicht mit diesen Argumenten befasst und sie in eindeutiger Weise verworfen. Weder der Verweis auf den verhältnismäßig (bezogen auf den Pro-Kop-Verbrauch) hohen, aber absolut (gemessen an den weltweiten Gesamtemissionen) geringen Beitrag Deutschlands, noch der Verweis auf den viel höheren Treibhausgasausstoß in China entbinden die Bundesrepublik von ihrer auch aus der Verfassung abzuleitenden Verpflichtung zu einem effektiven Verfassungsschutz – sie begründen nur die zusätzliche Verpflichtung, sich auch international für verstärkte Klimaschutzmaßnahmen einzusetzen. Wörtlich hat das BVerfG hierzu (unter anderem) ausgeführt (Rz. 202 und 203 der Entscheidung):
„So oder so kann dem Gebot, nationale Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, nicht entgegengehalten werden, sie könnten den Klimawandel nicht stoppen. Zwar wäre Deutschland nicht allein in der Lage, den Klimawandel anzuhalten. Das isolierte Handeln der Bundesrepublik ist für Klimawandel und Klimaschutz offensichtlich nicht umfänglich kausal. Der Klimawandel kann nur dann angehalten werden, wenn weltweit Klimaneutralität erreicht wird. Angesichts des weltweiten Reduktionserfordernisses ist der bei knapp 2 % liegende Anteil Deutschlands an den weltweiten CO2-Emissionen (…) für sich genommen eher gering. Sind die Klimaschutzmaßnahmen Deutschlands aber in weltweite Klimaschutzbemühungen eingebunden, sind sie als Teil der Gesamtanstrengung geeignet, das Ende des Klimawandels herbeizuführen (….).
Dabei könnte sich der Staat seiner Verantwortung auch nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen (….). Aus der spezifischen Angewiesenheit auf die internationale Staatengemeinschaft folgt vielmehr umgekehrt die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, eigene, möglichst international vereinbarte Maßnahmen zum Klimaschutz tatsächlich zu ergreifen. Gerade weil der Staat das ihm in Art. 20a GG auferlegte Klimaschutzgebot nur in internationalem Zusammenwirken erfolgreich umsetzen kann, darf er für andere Staaten keine Anreize setzen, dieses Zusammenwirken zu unterlaufen. Er soll durch sein eigenes Handeln auch internationales Vertrauen stärken, dass Klimaschutz, insbesondere eine Umsetzung vertraglich vereinbarter Klimaschutzziele, auch mit Blick auf grundrechtliche Freiheiten zu lebenswerten Bedingungen gelingen kann. Die praktische Lösung des globalen Klimaschutzproblems ist insofern maßgeblich auf das wechselseitige Vertrauen in den Realisierungswillen der anderen angewiesen.“
Man kann das richtig oder falsch finden, aber man darf es nicht ignorieren. Im Verfassungsstaat sollte es unstreitig sein, dass die für alles staatliche Handeln maßgebliche Auslegung des Grundgesetzes diejenige des Bundesverfassungsgerichts ist. Über die Entscheidung des BVerfG einfach hinwegzugehen, scheint mir keine Kleinigkeit zu sein, sondern (ähnlich wie „die Geringschätzung gegenüber einem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zur Unzulässigkeit genereller Zurückweisungen an den Grenzen“; Nicole Deitelhoff im Tagesspiegel vom 21.07.2025) einer Tendenz zur Aushöhlung des Rechtsstaates zu entsprechen, die wir in krasser Ausprägung gerade in den USA sehen, die sich aber zunehmend auch bei uns bemerkbar macht.
Herzliche Grüße
Michael Börgers